In Deutschland leben mehr als sechs Millionen deutschsprachige Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren, die lediglich über geringe Lese- und Schreibkompetenzen verfügen. Diese Erkenntnisse liefert die LEO-Studie 2018 der Universität Hamburg. Danach sind 12,1% der erwachsenen Wohnbevölkerung funktionale Analphabeten bzw. Erwachsene mit geringer Literalität.
Darüber hinaus leben viele Menschen in Deutschland, die vor allem seit 2015 nach Deutschland geflüchtet sind und von denen eine beträchtliche Anzahl ebenfalls gar nicht oder nur wenig lesen und schreiben kann. Die Größenordnung der lese- und schreibunkundigen Geflüchteten ist allerdings nicht bekannt.
Viele Einrichtungen bieten Unterstützung an, damit Erwachsene erstmalig Lese- und Schreibkenntnisse erwerben oder ihre geringen Fähigkeiten erweitern können. Dazu gehören Volkshochschulen und andere Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Mehrgenerationenhäuser und Vereine, Patientenschulen in der Forensik sowie Justizvollzugsanstalten. Es gibt Kurse, niedrigschwellige Angebote wie Lerntreffs sowie ehrenamtlche Einzelförderung.
In diesem Bildungsurlaub erfahren Sie, weshalb eine recht hohe Zahl von Erwachsenen trotz Schulbesuchs nicht ausreichend lesen und schreiben kann und wie Betroffene die Herausforderung meistern, in einer von Schrift geprägten Welt den alltäglichen schriftsprachlichen Anforderungen mehr oder weniger gerecht zu werden, ohne dass sie mit ihrer Problematik auffallen. Welche Lernangebote gibt es und wie kann die Unterstützung beim Lesen- und Schreibenlernen erfolgen? Welche Unterschiede zwischen Menschen deutscher Erstsprache und Migrantinnen und Migranten müssen dabei der berücksichtigt werden?
Der Bildungsurlaub „Einführung in die Alphabetisierungsarbeit“ basiert auf der gleichnamigen Fortbildungsveranstaltung, die seit 1985 erfolgreich in verschiedenen Bundesländern stattfindet. Sie richtet sich vor allem an (zukünftige) Kursleitende, Lernbegleiter, Lehrkräfte in Erwachsenenbildung, JVA und Forensik, Ehrenamtliche in Vereinen und all jene, die sich für die Themenbereiche Alphabetisierung und Grundbildung interessieren.
1. Tag (4 UE)
- Definitionen: primärer, funktionaler und sekundärer Analphabetismus/geringe Literalität
- Zielgruppen: Deutschsprachige, Migrantinnen und Migranten, Menschen mit geistiger Behinderung
- Lebenssituation(en), Bewältigungsstrategien, Verursachungsfaktoren von geringer Literalität
2. Tag (8 UE)
- Größenordnung des funktionalen Analphabetismus bzw. Ausmaß geringer Literalität
- Institutionelle Rahmenbedingungen für die jeweiligen Zielgruppen
- Beschäftigungssituation der Lehrenden, Öffentlichkeitsarbeit, Multiplikatorenarbeit
- Ansprache von Erwachsenen mit Grundbildungsbedarf, Hemmnisse für die Entscheidung zum Kursbesuch
- Bewältigungsstrategien für Anforderungssituationen bei geringen Lese- und Schreibkompetenzen
- Lernmöglichkeiten: Kurse, niederschwellige Lernangebote, Onlinelernen
- Projekte zur Alphabetisierung und Grundbildung
- Sprache und Schrift: Verhältnis zueinander, Erwerb sprachlicher und schriftsprachlicher Kompetenzen
- Methodische Ansätze der Schriftsprachvermittlung: Buchstaben und Laute
- Vermittlung von erforderlichen Vorläuferfähigkeiten für primäre AnalphabetInnen
- Ausgewählte Lehrwerke und Freiarbeitsmitteln zum Unterricht bei niedrigen Kompetenzen
3. Tag (8 UE)
- Methodische Ansätze der Schriftsprachvermittlung: Silben und Wörter, digitale Medien
- Lehrwerke und Freiarbeitsmittel mit der Möglichkeit von Selbstkontrolle
- Zeitliche und inhaltliche Strukturierung von Lernangeboten
- Unterstützung beim Lernen lernen
- Analyse von Leseproben
- Reflexion von Lehr- und Lernverhalten
4. Tag (8 UE)
- Unterricht auf Textebene, leichte und vereinfachte Texte
- Stellvertretendes Schreiben, Anleitung zum Verfassen eigener Texte
- Umgang mit Fehlern: Fehleranalyse, Fehlerkorrektur, Hilfen zur Selbstkorrektur
5. Tag (4 UE)
- Verschränkung von teilnehmerorientierten und sprachsystematischen Ansätzen der Schriftsprachvermittlung
- Erwerb/Vermittlung erster Rechtschreibregeln
- Erstberatung von Lerninteressierten
Durchgängiges Thema ist, wie in den hyperheterogenen Lerngruppen der Alphabetisierung gemeinsames und individualisiertes Lernen organisiert werden kann.
Die Veranstaltung ist in Niedersachsen als Bildungsurlaub anerkannt laut Bescheid der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung vom 08.10.2024, VA-Nr. B25-129751-43, Az 1213/1260.
Beachten Sie bitte, dass bei Bildungsurlauben eine Anmeldefrist von sechs Wochen vor dem Termin gilt.
Mit der Anmeldebestätigung erhalten Sie Hinweise zu Hotelübernachtungsmöglichkeiten (muss selbst organisiert werden).
Die Kosten für Verpflegung und Unterkunft sind nicht im Teilnahmebeitrag enthalten.