Dieser Kurs bietet eine Einführung in die Zen-ga-Malerei – eine japanische Kunstform innerhalb der Zen-Tradition, die während der Edo-Periode entstand. Zen-ga zeichnet sich durch Einfachheit, Spontaneität und die unmittelbare Erfahrung einer intuitiven Pinselführung aus. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Zusammenspiel von Technik und Spontaneität sowie der Bedeutung des leeren Raums in der Komposition. Als japanische Wegekunst – vergleichbar mit dem Bogenschießen – vereint Zen-ga Atmung, Körperachtsamkeit und gestische Bewegung zu einer meditativen Malpraxis.
Die Teilnehmenden erkunden im Kurs verschiedene Motive, darunter Naturszenen, abstrakte Formen, freie Linienführungen und klassische Elemente wie den Zen-Kreis Enso. Im Vordergrund steht dabei nicht die Herstellung fertiger Werke, sondern die Entwicklung einer prozessorientierten Haltung: Präsenz im Tun, Offenheit gegenüber dem Material, Akzeptanz des Unplanbaren.
Eine Besonderheit dieses fünftägigen Seminars ist die tägliche Verbindung der künstlerischen Praxis mit philosophischen Impulsen – angeleitet durch die Dozentin auf Grundlage kurzer Einführungen und ausgewählter Textausschnitte. Eröffnet werden zentrale Perspektiven auf das Verhältnis von Handlung und Nicht-Handeln (wu wei), Zweckfreiheit, Resonanz und Unverfügbarkeit – grundlegende Denkfiguren sowohl im Zen und Taoismus als auch in der zeitgenössischen Philosophie.
Die Teilnehmenden begegnen klassischen Texten und Begriffen ebenso wie neueren Konzepten – etwa Hartmut Rosas Resonanztheorie oder Michael Hampes Überlegungen zur Philosophie der Zwecklosigkeit. Im Wechselspiel zwischen gestischem Malen und philosophischem Nachdenken kann sich eine Arbeitsweise entfalten, die sich vom Ziel des kontrollierten Gelingens löst. Stattdessen steht ein „Geschehenlassen“ im Mittelpunkt: offen für das Unerwartete, achtsam im Umgang mit dem Material, bereit, sich dem Moment anzuvertrauen. So wird das Malen zur Übung – und zur Einladung, dem Prozess ohne bewertenden Blick zu begegnen.